Sonntag, 28. Oktober 2007

Sex in Spielen

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»Sex sells!«, lautet eine geläufige Bauernregel der Werbebranche. Nicht weniger Gültigkeit hat sie für das Computer- und Videospiele-Business. Und dass sie funktioniert, beweist nicht zuletzt jeder, der nach dem primitiv männlichen Kausalprinzip Titten = Klick seinen Weg auf diesen Artikel gefunden hat.

Ertappt? Nicht schlimm. Denn es soll nicht zu eurem Nachteil gewesen sein: Die gamona-Redaktion hat sich in die schwülsten Abgründe des Spielesumpfes hinabgewagt und ist dem Phänomen »Sex in Spielen« einmal nachgegangen. Welche Spiele versprühen knisternde Erotik auf dem Bildschirm? Welche törnen eher ab? Und wieso spielt das Thema im Spiele-Mainstream lediglich ein Nischendasein? Wir sind diesen Fragen nachgegangen.


Sex sells

Wirft man einen Blick auf die einschlägigen Computer- und Videospiele, so scheinen die Werbefachleute das »Sex sells«-Motto sehr wohl verinnerlicht zu haben. Kein Wunder, ist doch die überwiegende Mehrheit ihrer Klientel jung und männlich. Entsprechend hoch ist die in Fachkreisen »Babe-Faktor« genannte Zahl leidlich verhüllter Brüste auf Spielemessen wie der Games Convention.

Auch Werbeanzeigen und Spielepackungen appellieren immer wieder gerne an die urigsten menschlich-männlichen Triebe. Obwohl Story und Gameplay nur wenig Sexuelles zum Inhalt hatten, prangten auf dem Cover von »Spellforce« und seinen Addons stets gut erkennbar die beiden offensichtlichsten weiblichen Vorzüge - oder wenigstens ein deutlich hervorgehobener Bauchnabel inmitten eines Meeres nackter Haut.

Bestens verkauft hat sich daher auch die Mutter aller feuchten Gamer-Träume: Pop-Ikone Lara Croft. Auch wenn ein nicht zu unterschätzender Teil der Abverkäufe immerhin der Qualität des Spieles geschuldet sein dürfte, gelangte Miss Croft doch vor allem aufgrund ihrer Oberweite und ihres Sex-Appeals überhaupt erst in den Medien-Fokus abseits der Spielefachpresse.


Interessant an Spielfiguren a la Lara Croft, April Ryan (»The Longest Journey«) oder Jill Valentine (»Resident Evil«) ist, dass sie nicht nur männliche Fantasien mit ihren lasziv inszenierten Rundungen bedienen, sondern auch für weibliche Spielerinnen als »Role Model« fungieren. Fast schon paradox, auf welche Weise hierbei doch Werte wie weibliches Selbstbewusstsein oder Emanzipation unter dem Deckmantel des augenscheinlichen Sexismus auftreten. Aber letzten Endes ist es bei den Filmkolleginnen der drei Engel für Charlie bis hin zu den Hupfdohlen der Pussycat Dolls auch nicht anders.

Entsprechend schmal ist der Grat, auf dem diese Marketingstrategie wandert: Zu schnell driftet das »Sex sells«-Konzept in Bereiche des Schmuddeligen und allzu Platten ab. Überkandidelte Dominas wie Julie aus »Heavy Metal F.A.K.K. 2« oder »Bazooka Sue« törnen eher ab als an.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht
Um Spielen mit sexuellen Darstellungen gleich im Ansatz den Hauch des Anrüchigen wieder zu nehmen, greifen Games-Entwickler daher gerne auf eine simple Taktik zurück: Sie verpacken Titten und Ärsche, wenn schon nicht in Kleidungsstücke, so doch wenigstens in Humor. So zu erleben beispielsweise bei der freizügigen Krankenhaus-Simulation »Biing!« (der Titel geht übrigens auf einen Monty-Python-Sketch zurück): Statt auf fachliche Qualifikationen wert zu legen, stellte der Spieler dort das Schwestern-Personal nach der Oberweite ein.


Ebenfalls ins humorige Gewand kleidete sich schon der Urvater alles Schlüpfrigen auf dem PC: Larry Laffer. In der insgesamt siebenteiligen Kult-Adventure-Serie (Teil 4 wurde übrigens übersprungen, da der geistige Vater Al Lowe nach »Larry 3« schwor, niemals einen vierten Teil zu machen) rätselte sich der Spieler erst in die Herzen und dann in die Betten diverser Frauen - oder auch nicht. Denn der sympathische Loser Larry musste in letzter Sekunde stets den sprichwörtlichen Schwanz einziehen. Übrigens: Um die virtuellen nackten Tatsachen vor den neugierigen Augen des Chefs verborgen zu halten, führte Entwickler Sierra On-Line mit »Larry« die so genannte »Boss-Taste« ein. Damit wurde der Spieler direkt zurück auf den Desktop befördert und konnte so eifriges Arbeiten vortäuschen.

r C-64-Klassiker Sex Games war eine Belastungsprobe für den Joystick... Doch schon vor dem Anti-Helden im Freizeitanzug hielt das Thema Sex Einzug in die Spielehistorie: Jeder, der in der Computer-Steinzeit einen C-64 sein Eigen nannte, wird sich sicherlich an »Sex Games« erinnern. In Anlehnung an die damaligen Rüttelspiele wie »Summer Games« oder »Winter Games« musste der Spieler durch genauso schnelles wie rhythmisches Hin- und Herbewegen des Joysticks zunächst im Paar, später im Gang Bang den Beischlaf vollziehen. So schlecht das Spiel war, so schnell hatte man es durchgespielt. Noch schneller landete es nur auf dem Index - was in Zeiten florierender Raubkopiererei jedoch niemanden davon abhielt, es zu besitzen und verschämt über so viel Frivolität in sich hinein zu kichern.

r Sinulator verspricht Höhepunkte via Internet. SeXBox Live
Auch das vor einigen Jahren noch als allgegenwärtiges Schlagwort gehandelte Thema Cybersex zieht allenfalls als reißerischer Aufhänger in der Sauren-Gurken-Zeit noch eine Runde durch den Blätterwald. Grund dafür dürfte die wenig prickelnde Vorstellung sein, sich von leblosen Maschinen stimulieren zu lassen. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang sind zweifellos Geräte wie der »Sinulator«, eine Art Vibrator, der über das Internet bedient werden kann, und der Xbox-Controller »SeXBox«: Bei Letzterem handelt es sich um skurrile Sex-Spielzeuge, in deren Inneren die vibrierende Rumble-Komponente der Microsoft-Konsole verbaut wurde.


La-Le-Lula

Abseits billiger Schmuddelproduktionen fand das Thema Sex nur selten seinen Weg in den Spiele-Mainstream: Allenfalls diverse Strippoker-Variationen machten sich diesbezüglich einen Namen. Besonders populär war das Genre einmal mehr auf dem C-64: Trotz 16-Farb-Grafik im flackernden Interlace-Modus avancierte »Hollywood Strip Poker« zum Dauerbrenner.

Auch sonst zielen Erotik-Produktionen statt auf Qualität lieber auf den unüberlegten Triebkauf: Billigspiele wie »Sven Bomwollen« oder »Chicken-Poppen« setzten auf den kurzlebigen Haha-Effekt bzw. ihre Popularität durch Call-in-Shows auf 9Live. Der »Rotlicht Tycoon« hingegen versuchte sich zwar am komplexen Genre der Aufbausimulationen, hätte aber besser nie das (Rot-)Licht der Welt erblickt.

Die bestätigende Ausnahme von der Regel bildet die Kultfigur Lula, die gleich mehrmals auf ihren langen Beinen durch virtuelle Comicwelten stolzierte: »Wet - The Sexy Empire« war eine Wirtschaftssimulation, in der der Spieler in drei Akten bis zum Porno-Tycoon aufstieg, um schlussendlich Herz und Höschen der titelgebenden Schönheit zu erobern. Hält man sich zu Beginn des Spiels noch in einem verschlafenen Wüstenkaff mit billig produzierten Nacktfotos über Wasser, zieht es den Spieler schon bald in die große Stadt, um dort ein ganzes Erotikfilm-Studio hochzuziehen, bis einem zu guter Letzt ein riesiges Sexshop-Imperium zu Füßen liegt. Das einfallsreiche, wenn auch wenig komplexe Spielprinzip und die witzige Comicgrafik von Carsten Wieland versprühten ihren Charme zielsicher gerade noch in Höhe der Gürtellinie.


Das 2005 erschienene Adventure »Lula 3D« war hingegen eher eine Anhäufung von Peinlichkeiten: Zotige Gags und eine miserable Umsetzung ließen jede Erregung im Keim ersticken. Etwas gefälliger war da der Lula-Flipper: Bei einem Tisch mit Kugeln und Bumpern ist nicht wirklich viel falsch zu machen. Ein Motto, das über zahlreichen Sexspielen zu stehen scheint: Man nehme ein bewährtes Spielprinzip und bringe sozusagen eine »Sex«-Version desselben auf den Markt. »7 Sins« beispielsweise war eine ebenso freche wie mittelmäßige Kopie der »Sims 2«. Gleiches gilt für den Hasenstall des Playboy Mansion.

Doch seien wir ehrlich: Wer solche Spiele kauft, dem geht es nicht um ausgefeiltes Gameplay oder innovative Features. Da kann noch so oft das Gegenteil behauptet werden - den Playboy kauft auch niemand wegen der Artikel.

Insofern dürfte »Dead or Alive Xtreme« das perfekte Schlüpfer-Spielchen sein: Perfekt proportionierte Bikini-Schönheiten räkeln sich verführerisch auf Liegestühlen, Palmen und Luftmatratzen, während die Engine - sämtlichen physikalischen Gesetzen zum Trotz - die Brüste selbst bei völliger Bewegungslosigkeit der Damen wie einen Wasserballon im Schleudergang hüpfen lässt. Das Spiel selber beschränkt sich auf wenige stupide Mini-Spiele, in denen der Spieler zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Button betätigen muss - vorausgesetzt er hat gerade eine Hand frei. Zur Belohnung dürfen die ohnehin knapp bemessenen Kleidungsstücke der Mädels um die eine oder andere Textilfaser verkürzt werden.


Kalter Kaffee mit Hot Coffee

Aber wie ist es um den Sex in »richtigen« Spielen bestellt? Muss es schon als das höchste der Gefühle gewertet werden, wenn die Sims hinter unscharfen Pixeln den Storch bestellen oder sich die Siedler im sechsten Teil der Serie endlich nicht mehr durch ein biologisches Wunder fortpflanzen? Glaubt man den Querelen um die Hot Coffee Mod von »Grand Theft Auto: San Andreas« ist dieser Schluss gar nicht so abwegig. Durch eine einfache Modifikation konnte der Spieler dort einen alternativen Spielmodus freischalten, in dem er nach erfolgreichem Date mit potenziellen Freundinnen in deren Gemächern mehr als nur die Briefmarkensammlung zu Gesicht bekam. Als Höhepunkt der Mod brachte der Spieler sein Gegenüber manuell zu selbigem. Rockstar wurde deswegen verklagt und musste die Inhalte aufwändig entfernen.

Angesichts der amerikanischen Moralvorstellungen verwundert die Abwesenheit nackter Tatsachen im Gros des Spiele-Mainstreams wenig. In einem Land, in dem ein gepiercter Nippel im Fernsehen Hysterien von Weltuntergangs-Ausmaßen hervorruft, möchte kein Entwickler das Risiko einer hohen Alterseinstufung eingehen.

Wirft man einen Blick über den Medien-Tellerrand in die Filmbranche lassen sich deutliche Parallelen ziehen: Einzig und allein weil für den Bruchteil einer Sekunde die Brustwarze von Gwyneth Paltrow ins Bild ragte, wurde die ansonsten eher harmlose Romanze »Shakespeare in Love« mit einem vernichtenden R-Rating bedacht - was den Kino-Besuch durch Jugendliche unmöglich macht und Lichtspiel-Betreiber aus Angst vor einem schlechten Image die rote Karte zücken lässt. Aus genau diesem Grund behielt Tara Reid auch ganz züchtig ihren BH während des Beischlafs mit Christian Slater in der Verfilmung von »Alone in the Dark« an. Schließlich möchte man nicht das für eine solche Produktion immens wichtige Teen-Publikum von vornherein aussperren.


Fast schon als subversiv darf es daher gewertet werden, wenn nichtsdestotrotz virtuelle Helden mit ihrer Angebeteten den Akt vollziehen - auch auf die Gefahr hin, sich mit kantigen Charakteren und merkwürdig anmutenden Animationen kopulierender Pixel-Figuren der Lächerlichkeit preiszugeben. »Mafia« wandelte auf diese Weise hart an der Grenze zwischen sexy und unfreiwillig komisch.

Hoch anzurechnen ist daher der Mut der »Fahrenheit«-Entwickler, dass diese in ihrem Interaktiven Spielfilm auch zeigen, was bei Anderen nur angedeutet wird. Wenn die Protagonisten rhythmisch aufeinander ihre Hüften schwingen, darf der Spieler nicht nur über die volle Länge zuschauen, sondern sich durch seine Aktion an der Höhe des zugefügten Glücksgefühls beteiligen. Ein Spiel, das sich von vornherein an ein erwachsenes Publikum richtet, muss sich offenbar auch in Amerika um den Jugendschutz keine Gedanken mehr machen.

Weniger couragiert waren die »God of War«-Macher. Während Macho Kratos immerhin gleich zwei Damen gleichzeitig befriedigt, schwenkt die Kamera beiseite auf einen Nachttisch, auf dem eine wippende Vase das Treiben nur indirekt vermittelt. Dennoch reichte diese Szene aus, dass sich die großen Supermarktketten Wal-Mart, Target und Best Buy weigerten, das Produkt ins Sortiment zu nehmen. Erst als das Game zum Bestseller avancierte, siegten die Dollar-Zeichen in den Augen der Manager über ihre Moralvorstellungen. Es zählt demnach nicht allein »Sex sells«, sondern: Was sich verkauft, darf auch ruhig Sex beinhalten…

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